Die Seherin Lathandra. Die Weise Frau Lathandra. Meine Freundin Lathandra.

Wie soll man jemand beschreiben, der eigentlich nicht zu beschreiben ist? Bei ihr fällt es mir am schwersten, wie ich zugeben muss.

Sie ist die älteste lebende Aijnan. Sehr viel älter als selbst die ältesten der Reiter. Sie zählt so viele Jahre, das selbst ältere Elben und Zwerge sie noch aus, für uns, längst vergangene Zeiten kennen, und ihren Namen mit Ehrfurcht aussprechen. Aber ich schweife ab. Eine Geschichtsabhandlung soll dies ja nicht werden.

Sie ist die weiseste der Weisen Frauen und doch... ist sie im Herzen jung geblieben. Es gibt Momente, da kann ich nur den Kopf über ihren jugendlichen Leichtsinn schütteln. Anders kann ich es nicht ausdrücken. Manchmal hat sie einen Wesenszug an sich, der mich sehr stark an ein Mädchen erinnert, das die Welt noch nicht kennt. Und dann wieder erklärt sie einem mit sanfter Stimme, wie der Lauf der Zeit ist. Respekt ist das mindeste, das ich für sich empfinde, empfinden muss. Dennoch glaube ich, das sie nicht glücklich ist. Sicher, sie hat ihre alte Liebe, den Elben Ameran wieder gefunden, und ja, sie ist nach wie vor sehr hoch angesehen bei allen Völkern Thrumumbahrs. Dennoch spüre ich beinahe, das etwas wie ein Schatten auf ihr liegt, das ich nicht erklären und fassen kann.

Das ich deswegen mit ihr noch reden muss und auch bald sollte ist mir wohl bewusst. Immerhin ist meine Tochter Fhoriah ihre Schülerin und mein Sohn Ghimad hegt besondere Gefühle für sie.

Aber mehr als dies, muss ich als ihre Freundin mit ihr darüber reden.




Zusatz von Theiwia:

Ich muss gestehen, dass mich Soreis Worte überrascht haben. Mir ist nichts davon aufgefallen. Zugegeben, ich war eine Weile am Freihafen und hatte auch so nicht gerade viel Kontakt zu ihr. Aber wenn sie etwas bedrückt, dann sollte man es vielleicht aufdecken. Dabei muss man aber sehr vorsichtig sein. Wenn Sorei es will, dann werde ich das tun.

Davon abgesehen mag ich Lathandra ungemein. Sie ist das, was ich so gerne des öfteren sein möchte. Ich spreche nicht davon blind zu sein, um anders sehen zu können, so wie sie es tut. Nein, ich spreche davon ab und an ein Mädchen sein zu können, ohne sich Gedanken um das hier und jetzt zu machen. Vielleicht macht sie das ja auch nicht, es kommt mir nur immer so vor. Andererseits, wenn sie diese Zeilen lesen würde, dann würde sie meinen Arm nehmen, mich zu ihr ziehen und mit ihrer sanften, aber festen Stimme mir einbläuen, dass ich es verdammt noch mal machen soll. Und sie hat Recht damit. Ich würde mich glücklich schätzen, wenn sie mich als Freundin ansehen würde.