Vom Wandel der Welt
(Zusammengetragene Geschichte aus den Archiven der Könige Thrumumbahrs. Eine wahre Geschichte. Erzählt aus Sicht der Zwerge und Elben des Sonnenkontinents.)

Aus den Archiven der Königsbibliothek zu Kazâritrim

Friede war und kein Leid war je gekommen über die Völker des Sonnenlandes, dem die Elben den Namen Thrumumbahr gaben, den wir aber Bahrum nannten, heißes Land. Denn heiß war es hier und warm und doch schön und grün, denn die Küsten waren fruchtbar und die Berge grün vom Dach der Bäume.
Dort wohnten wir seit wir dieses Land unser eigen nannten in den Wurzeln der Berge, unserer Heimstatt und unter der Gnade der sieben Drachen.

Aus den Archiven der Königsbibliothek zu Elothinath

Schön war das Land und verbunden waren wir mit seiner Seele, denn wir waren Eins. Leben durften wir auf dem schönen Thrumumbahr. Denn wenn die Sonne sank am Horizont, malten Farben das schönste aller Bilder und das ewige Lied der Wellen klang in unseren Ohren. Leben durften wir hier und gerne lebten wir hier, denn alles hat uns das Land gegeben. Dem kleinen Volk, dem kurzlebigen Volk und den Elben.

Aus den Archiven der Königsbibliothek zu Kazâritrim

Eins waren die Ainan, die Elben und die Zwerge. Lebten wir doch miteinander, aber nicht beieinander, denn zu unterschiedlich waren Art und Gemüt, aber verbunden durch unsere Liebe zum Land und dem Leben. Doch ein jedes Wesen hatte seinen Sinn und seine Aufgabe im Lichte des großen Antlitzes und gemeinsam waren wir stark. Stark genug, um auch dem Dunkel zu trotzen das kam.

Aus den Archiven der Königsbibliothek zu Elothinath

Schiffe verschwanden, was vorher nie ward geschehen. Plötzlich und ohne Vorwarnung. Dann begannen die Palmen zu verdorren, Schwärme von Fischen, die tot mit der Flut an das Ufer gespült wurden. Hatte die Göttin uns verlassen? Welch Übel ward gekommen über das doch schönste aller ihrer Völker? War dort nicht schon genug Leid gekommen über uns, bevor wir gehen mussten und unsere neue Heimstatt nach vielen Wanderungen erst hier fanden?

Aus den Archiven der Königsbibliothek zu Kazâritrim

Doch dann kam das Jahr des Leides über unsere Brüder unter dem Licht der Sonne. Nie war Bahrum ein blühender Garten gewesen, außer dort, wo Ainan und Elben das Land dazu gemacht hatten, aber nun verdorrten die Pflanzen und die Tiere starben. Fische vertrockneten im Wasser und heiß wurde der Sand und breitete sich weiter aus als jemals zuvor. Keinen Grund fanden die Weisesten unter uns und auch von den Brüdern für das Verderben, das so plötzlich über uns gekommen war.

Aus den Archiven der Königsbibliothek zu Elothinath

Dann aber kam der Tag, als die Meereswoge von ihren Reisen zurückkehrte, mehr ein Wrack denn das stolze Schiff, das sie einst war. Kunde brachte die Mannschaft von dunklen Festungen auf dem Wasser, die über sie kamen und Tod und Verderben über unser Schiff zu bringen suchten. Doch ein freundlicher Wind brachte Heil über die Meereswoge und auf den Kämmen der Wellen ritt das Schiff zurück in sicheren Hafen und so kam erste Nachricht an unsere Ohren, beschützt durch der Göttin Hand.

Aus den Archiven der Königsbibliothek zu Kazâritrim

Karawanen verschwanden. Die Adern unseres Lebens und nie mehr ward ein Zwerg gesehen, die mit ihnen reisten. Verschluckt wie vom Boden und kein Hinweis ließ sich finden. So kam auch das Übel über uns und Angst ging um in unseren Hallen des Lichts. Dann aber kam der Tag, als die Ainan uns die Leiber unserer Brüder brachten. Gefunden im Glutofen der Sonne, weitab der Straßen, die wir erbaut. Grausam zugerichtet, ermordet und geschändet. Niemals war der Tod so fürchterlich über einen Sohn des Berges gekommen, wie sie hier vor uns lagen. Und doch war dort eine tiefe Erinnerung um ein Wissen und auch um ein Wieder erkennen.

Aus den Archiven der Königsbibliothek zu Elothinath

Zu Gast war der König beim König unter dem Berg, als die Toten der Wüste entrungen wurden durch die Hände unserer Brüder, den Ainan. Blicke nur mussten die Führer der Völker tauschen, um zu verstehen. Die Beratung war kurz, aber die Erkenntnis war grausam. Aber schon am gleichen Abend kam Nachricht von der Küste, das Dörfer überfallen worden und mit Mann und Weib, Greis und Kind gerichtet worden seien. Gerichtet durch die mörderische Hand, der schwarzhäutigen Elben, der Vicya. Die Göttin stand uns bei, denn nun wussten wir, was all das Übel über uns brachte.

Auszüge aus den Gedenkrollen im Schrein der Erinnerung mitten im Krater der verschwundenen Stadt

Und so begann der Krieg. Zu Wasser und auch zu Lande, denn die schwarze Flut rollte unablässig auf die Küsten Thrumumbahrs. Seite an Seite fochten hier Zwerg, Elb und Ainan, um ihre Familien und Kinder zu schützen. Grausam wütete der Feind unter uns allen, doch am meisten wütete er unter den Ainan, so als würden die Vicya magisch von ihrer Heimstatt angezogen.
Sechs Kriege wurden gefochten. Ein jeder grausamer, wilder und mit mehr Blut bezahlt, als jener davor. Aber auch ruhmreicher und heldenhafter und viele Lieder künden noch heute von all den Taten, die dort vollbracht wurden.

Unvergessen werden sein auf immerdar die großen Heerführer:
Elehazaar Schadahazaar, die Elbe, die Schöne mit dem singenden Bogen. Ihre Pfeile trafen immer und wie eine Wolke verdunkelten sie den Himmel, wenn sie das Todeslied über die Vicya brachten.
Berak, Sohn der Kritâch aus dem Clan der Dämpferer. Sein Streithammer gemacht aus Granit und Glas, aus Mithril und Adamant. Keine Rüstung konnte ihm widerstehen und keine Waffe ihn ablenken. Wie der Feuerodem der sieben Drachen schritt er durch die Reihen der Feinde. Brachte Tod und Verderben über sie.
Maod und Mida, die Söhne des Speeres, die Tänzer des Todes. Keine Hand ward mehr geboren, die die Speere führen konnten wie sie, schneller noch als Vicyahand. Schnell und doch grausam war die Rache, die sie unter die Vicya brachten für jedes Leben, das die Schwarzen aus den Häusern der Ainan genommen hatten.

Dann kam die Zeit, als die Heere der drei Völker sich sammeln sollten. Für die siebte, die letzte Schlacht. Um die Entscheidung herbei zu führen, wer Herr würde sein über Thrumumbahr. Strahlend waren die Heere der Elben und noch strahlender die der Zwerge, leuchtend die Banner im Licht der Sonne und die Klingen der Waffen blitzen in ihren Strahlen wie die Sterne am Himmel der Nacht. Dort warteten sie, so viele wie niemals zuvor, auf die Ainan. Doch die Ainan kamen nicht.

Keiner konnte sagen, ob es die verruchte Zauberkraft der Herrin der Vicya war, oder Verrat in den Stämmen der Ainan, oder gar eine frevelhafte Verbindung aus beidem. Nicht das Heer der Ainan kam, sondern der Welt Untergang, wie viele dachten in den Stunden des Schreckens, die sich in die Köpfe der Zwerge und Elben eingebrannt haben, wie die Sonne in den Boden Thrumumbahrs. Der Boden bebte und riss, gewaltige Wogen wurden auf dem Meere aufgeworfen und verschluckten nicht nur Elb sondern Schiff um Schiff der Elben wie Vicya, rissen auch Dörfer und die Häfen in die tiefen und dunklen Gründe des Ozeans. Unendliche Klüfte taten sich auf unter dem Berg und mancher Zwerg wurde in das Gebein der Welt gerissen und starb dort. Hallen aus Licht zerborsten und ihre Schönheit wird niemals mehr ein Auge erfreuen. Das Land selbst schüttelte sich, wie unter einem furchtbaren Fieber und der Tod war näher als das Leben.
Doch Ruhe kehrte zurück nach Stunden der Angst. Viel ward zerstört und viele gestorben, doch die Ainan und mit ihnen ihre Stadt waren fort, verschluckt, gegangen. Dort wo sie lebten nur eine gewaltige Senke im Boden zurücklassend, als hätte eine Hand der Göttin sie aus dieser Welt hinfortgerissen und ausgelöscht.

Ein ganzes Volk verschwand an jenem Tag und niemals wurde die siebte Schlacht ausgetragen. Denn einige Zeit brauchten die Zwerge und Elben, um sich von diesem Schlag zu erholen und sich an das geänderte Antlitz der Welt zu gewöhnen und wieder Schönheit in ihre Häuser und Paläste zu bringen. Wichtiger nun als Alles war wieder das Lachen von Kindern zu hören, die durch beschützte Straßen rennen.
Aber auch die Vicya waren geschwächt, mussten es sein, denn lange Jahre sah man sie nicht mehr.
Zwar kehrten sie nach einem Jahrhundert der Aufbaus wieder zurück, aber nie mehr so stark, nie mehr so reich an Zahl wie ehedem. Doch nun mussten zwei Völker allein den Kampf gegen sie aufnehmen und wenn die Vicya nie einen wirklichen Sieg erringen konnten, so ließ auch die Kraft von Elben und Zwergen nach und einst wird der Tag kommen, an dem die beiden Völker zu schwach geworden sein werden, denn sie waren nicht mehr heil und ganz ohne die Ainan.

Doch höret die Worte der Seherin Lathandra Mathanda, die einst sprach:
Warten müsst ihr zehnmal hundert Jahr. Dann wird der Zorn der Göttin in Mitleid und Gnade gewandelt sein. Und schuldlos wie ein Kind das geboren ward, wird sie die Ainan zurückführen. Durch die Hand eines Kindes wird die Erde geheilt werden, und vereint werden sein die Sechs, die Sieben und die Dreizehn. Erblühen wird wieder das Land und Leben schenken allen, die auf ihm wandeln. Doch kommen werden sie nicht allein, denn neuer Schatten, aber auch neues Licht wird mit ihnen sein.
Erst dann wird sie kommen, die Siebte, die Letzte und die größte aller Schlachten und dann werden wir uns alle der Gnade der Göttin unterwerfen.