Zeltfreunde


Durch die Lebensweise der Vogelreiter von Thrumumbahr hat sich im Lauf der Jahrtausende eine Sitte herausgebildet, die die Formen von Freundschaft in die Form eines Ritus übertragen hat. Trotzdem ist diese Sitte für die Vogelreiter von hoher Bedeutung, da sie einen direkten Einfluss auf das alltägliche Leben und vor allem Zusammenleben des 13. Clans der Aijnan hat: Der Zeltfreundschaft.

Zunächst einmal wollen wir uns die Gründe für die Zeltfreundschaft ansehen. Zweifelsohne leben die Vogelreiter als Nomaden in der nördlichen Steppe Thrumumbahrs. Die Reiter unter Speeren sind sogar auf dem ganzen Kontinent unterwegs und das zum Teil für sehr lange Zeit. Gerade einzelne Reiter können also bei der Rückkehr in die Heimat so erschöpft sein, dass sie es nicht mehr bis zur eigenen Sippe schaffen würden, ohne vorher woanders Rast und Unterkunft zu finden.
Einsamkeit und echte Not sind also letztendlich die wahren Gründe für die Zeltfreundschaft, auch wenn es natürlich auch Zeltfreundschaften innerhalb der gleichen Sippe geben kann. Nämlich dann, wenn einer tiefen Freundschaft durch aussprechen der Zeltfreundschaft noch einmal eine regelrecht offizielle Bedeutung gegeben werden soll.

Wer aber spricht Zeltfreundschaften aus? Nun, eher sollte die Frage lauten, wer es überhaupt kann. Denn ein Zelt haben nur Ehepaare oder wenigstens Paare, die einander versprochen haben. Entsprechend kann auch nur dieser Personenkreis eine Zeltfreundschaft anbieten.

Was aber genau ist die Zeltfreundschaft? Tatsächlich gibt es sogar drei Formen der Zeltfreundschaft und natürlich soll zunächst die einfachste, aber auch am weitesten verbreitete Form der Zeltfreundschaft erklärt werden. Denn so gut wie jeder Vogelreiter ist bei mehreren Sippen bei Eheleuten ein Zeltfreund.
Zeltfreund bedeutet da nichts weiter, als immer Unterkunft und Essen zu erhalten und das bei Freunden. Man mag sich fragen, warum um so etwas gleich eine Sitte erschaffen wird. Aber zum einen gibt es noch die höheren Formen der Zeltfreundschaft, aber vor allem muss man sich die Situation eines Reiters genauer ansehen. Wenn dieser weiß, wo er Bett und etwas für den Magen findet, kann das sogar lebensrettende Formen annehmen. Denn ein Zeltfreund informiert sie, wo die Sippen der Zeltfreunde wann unterwegs sind. Sonst kann man durchaus in die Gefahr kommen, wochenlang in der Steppe herum zu irren, ohne auch nur einen anderen Vogelreiter zu treffen. Zum anderen aber, wenn man denn eine fremde Sippe findet, gibt es bei den Vogelreitern trotzdem ein normales Misstrauen. Zwar werden die Vogelreiter niemanden verhungern lassen, aber es gibt trotzdem keine Händler, wo man mal eben was zu essen kaufen kann und auch keine Tavernen, wo man sich einmieten könnte. Außerdem sind die Vogelreiter durch ihre Lebensweise ein eng beieinander seiendes Völkchen, was es nur schwer ertragen kann, beäugen zu müssen oder beäugt zu werden. Natürlich wird das in Kauf genommen, aber gerade bei einem Reiter, der einfach nur noch nach Hause in die Steppe will, kann ein solches Willkommen schwere psychische Probleme mit sich tragen.
Deswegen ist die reine Zeltfreundschaft wirklich essenziell wichtig für die Vogelreiter und sie wird dort auch aktiv gelebt.

Die nächsthöhere Form der Zeltfreundschaft wird sogar mit rituellen Worten eröffnet. Diese können beiläufig fallen oder aber auch feierlich ausgesprochen werden. In der feierlichen Form würden sie wohl wie folgt lauten: Ich würde mich freuen, dich als meinen Zeltfreund anzusehen und du würdest immer in unserem Bett willkommen sein.
Was bedeutet das? Es bedeutet, dass der Zeltfreund, egal in welcher Lebenslage sich auch die Zeltfreundschaftsanbietenden befinden, willkommen ist. Selbst wenn nur noch eine Schlafstatt mit Plane darum vorhanden ist in Zeiten größter Not, würde dieser Ort und die Nahrung mit ihm geteilt werden. Es bedeutet also starke Nähe, aber nur auf rein freundschaftlicher Basis, wobei aber das Leben des Zeltfreundes mit dem eigenen Leben mindestens gleich gesetzt wird. Der Zeltfreund ist in dieser Zeltfreundschaftsform so wichtig, wie ein Familienmitglied. Deswegen ist das unserem in der rituellen Einladungsformel auch so wichtig, denn es gibt noch die dritte Form.

Die dritte und innigste Form der Zeltfreundschaft kommt nicht so oft vor, aber oft genug, so dass ein Vogelreiter, wenn er die Zeltfreundschaft erklärt, sie niemals unerwähnt lassen wird. Auch hier gibt es wieder Rituelle Worte, die wie folgt lauten könnten: Ich würde mich freuen, dich als meinen Zeltfreund anzusehen und du würdest immer in meinem Bett willkommen sein.
Zum einen gelten hier natürlich die Gastfreundschaftsregeln, wie in der zweiten Form der Zeltfreundschaft. Hier aber wird wirklich explizit das Angebot gemacht, dass der Zeltfreund körperliche Nähe suchen darf, gar soll und dass auch der Freundschaftsausprecher geneigt ist, mit dem Zeltfreund auch das Lager zu teilen, was durch das Wort meinem klar zum Ausdruck gebracht wird.
Die dritte Form der Zeltfreundschaft findet sich zumeist nur bei Eheleuten, wo wenigstens einer Reiter am Speer dient. Durch die zum Teil sehr langen Trennungen kann so sichergestellt werden, dass die Zeltfrau/der Zeltmann aufgrund der Einsamkeit die Wäre irgendjemand anderes sucht, sondern derjenige, der die Wärme gibt, dem Partner wohlbekannt ist. Es also sogar gewünscht ist, dass das Bett warm gehalten wird. So werden Ehen vor dem Zerbrechen bewahrt. Die Zeltfrau, der Zeltmann können sich ohne schlechtes Gewissen jemand anderem hingeben und doch die Liebe aufrecht erhalten. Und auch der Reiter selbst wird mit erheblich ruhigerem Gewissen zu einer Hure bei den Elben in ihren Städten gehen können, wenn die Lenden lauter als alles andere rufen.

Das also ist die Zeltfreundschaft bei den Vogelreitern. Trotzdem können sich noch Fragen ergeben, die hier erklärt werden sollen.
Werden Zeltfreundschaften vom Zeltfreund angefragt? Nein, es gilt schlicht als unhöflich. Nur jemand, der ein Zelt hat, wird die Einladung zur Zeltfreundschaft aussprechen. Was aber nicht bedeutet, dass jemand, der gerne Zeltfreund wäre, nicht versucht, durch die Blume hindurch diese Einladung zu erwirken.
Kann eine Zeltfreundschaft abgelehnt werden? Ja, natürlich! In der ersten Form wird das wohl nie vorkommen, denn bevor jemand auf die Idee kommt, eine Zeltfreundschaft auszusprechen, wird schon so ein freundschaftliches Verhältnis zwischen den Parteien bestehen, dass die Zeltfreundschaft nur noch ein deutliches festmachen dieser Freundschaft ist. Bei den beiden höheren Formen sieht es schon anders aus. Denn in der zweiten Form hat der Zeltfreund dann auch die Pflicht, sich um das Wohl der Zelthaber zu kümmern. Gerade in Notzeiten bedeutet das eine bedingungslose Unterstützung, die dann in der dritten Form sogar so weit geht, dass zum Beispiel im Todesfall eines der Zelthaber der Zeltfreund die Familie bei sich aufnimmt, wenn ein eigenes Zelt vorhanden ist, oder wenn es sich um einen Ledigen handelt, dieser die Stelle des Verstorbenen einnimmt. Bis hin zur Ehe oder dem ehegleichen Zusammenleben!
So verwundert es dann auch nicht, dass die beiden höheren Formen dann auch durchaus Mal zwar freundlich aber bestimmt abgelehnt werden. Erwähnt werden muss dann aber auch, dass die Ablehnung niemals mit Sanktionen geahndet werden würde. Denn gerade ein junger Reiter von vielleicht 30 Jahren kann durch solch eine Verantwortung wirklich schlicht und ergreifend überfordert sein.
Kann eine Zeltfreundschaft mehr werden? Ja, auch das. In den seltensten Fällen wird jemand sofort Zeltfreund, der in unserem oder gar meinem Bett willkommen ist. Normalerweise werden alle Stufen durchlaufen, wenn die Freundschaft dermaßen innig wird.
Trotzdem muss auch erwähnt werden, dass eine Zeltfreundschaft für die Ewigkeit sein kann, dies aber nicht sein muss. Die Vogelreiter sind keine Engel und so wie es überall vorkommt, dass Freundschaften zerbrechen, so kann auch eine Zeltfreundschaft vergehen. Die Vogelreiter sind halt auch nichts weiter als ganz normale Aijnan.